Was macht eigentlich die Nockenwelle in einem Viertaktmotor?
Sie steuert die Ventile abhängig von der Position der Kurbelwelle.
Auch im Bessler-Rad müssen Vorgänge gradgenau angestoßen werden,
z.B. die Bewegung der Fluggewichte. Funktioniert das ausschließlich
intern durch Pendel, Federn oder Änliches? Nein!
Dafür hatte Bessler eine viel bessere, eine geniale Idee:
das Stampfwerk.
Dieses gehört zum „Geheimnis in der Achse”, wird aber nicht
als solches erkannt, weil es ja nicht versteckt ist. Das eigentlich geniale
daran ist aber, dass es nicht nur die Steuerung übernimmt, also den
richtigen Zeitpunkt (Winkel) festlegt, sondern auch gleich noch die Energie
für die auszulösenden Vorgänge liefert.
Gleichzeitig gehört es wohl auch zu dem geheimnisvollen Agens
das Bessler als „primus motus” bezeichnet.
Das Prinzip der Steuerung und Kraftweiterleitung geht aus der Skizze hervor,
die genaue Mechanik muss noch gefunden werden.
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Das Bild zeigt das bekannte Rad mit 13 Auflagepunkten am Umfang und dem
leicht versetzten Unwucht-Kreuz mit vier Fluggewichten. Dazu gehören
dann zwei Stampfer, die bei Bessler ja immer doppelwirkend waren, und
damit vier Impulse pro Umdrehung erzeugen.
Das Rad dreht sich im Uhrzeigersinn und hat wegen seiner Masse eine
gewisse Trägheit. Der aus der Achse hervorstehende Zapfen greift
zur richtigen Zeit in die Auskerbung des Stampfers ein und soll diesen
anheben. Da ein Stampfer aber ein beträchtliches Gewicht hat
- ca. 25 kg bei den großen Rädern - verdreht sich der Zapfen
erst leicht nach unten. Diese Drehung wird in der Achse weitergeleitet
zu einem Hebel, der per Seilzug das zugehörige Fluggewicht
ausschwingt. Der große Kraftstoß, der bei der Beschleunigung
des Stampfers nach oben als Reaktion auftritt, ist ideal geeignet die
Bewegung der Fluggewichte zu starten.
Siehe MT13:„...oder jemand vorhanden wäre, der das Gewicht
oben bei D immer wie der Blitz aufhübe”.
Der Kraftstoß verliert zwar schnell an Energie, aber die Arbeit ist
getan und es reicht noch um ein Zurückfallen zu verhindern, weil
ja auch die Fliehkraft schnell mitwirkt.
Die Unwucht ist also wieder aufgebaut, Drehmoment geht in die Trägheit
des Rades und dieses kann damit den nächsten Stampfer heben und sogar
zusätzlich Arbeit leisten.
Wie aber funktioniert das Heben der Stampfer genau?
Der Stampfer wird in der Regel so auf dem Boden stehen, dass der Zapfen
beim Eingriff noch nicht ganz waagrecht ist, der Winkel wird sich
zwischen -30 und -10 Grad bewegen (links im Bild). Der Loslass-Winkel oben
muss größer sein, so zwischen +30 und +50 Grad. Zum Heben eines
Stampfers dreht sich die Achse also 60 Grad oder mehr. Wird auch die
anfängliche Verwindung noch mitberücksichtigt, dann ist der
Winkel noch größer.
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Bei der Konstruktion der Achse mit Hebe-Zapfen und Stampfer fällt
auf, dass der Radius der Hebe-Zapfenspitzen und die Fallhöhe in etwa
gleich sind bei einem unteren Eingriffswinkel von -25 Grad und einem
oberen Loslass-Winkel von +42 Grad.
Hier im Bild:
- Radius Achse = 11 cm
- Radius Zapfenspitze = 15 cm
- Fallhöhe = 15 cm
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Kurze Erklärung zu den Stampfwerken der einzelnen Räder:
Von den letzten beiden Rädern hat Bessler Kupferstiche hinterlassen.
Danach hatte das dritte Rad vier Stampfer und erzeugte acht Impulse pro
Umdrehung. Das vierte Rad hatte zwei Stampfer und eine Archimedische Schraube
mit viereckigem Antriebsrad. Hier wurden wohl vier starke und vier schwache
Impulse generiert. Das zweite Rad hatte nach Gottfried Teuber drei Stampfer
und bringt es damit auf sechs Impulse pro Umdrehung. Vom ersten Rad ist sehr
wenig bekannt, es hatte aber sehr wahrscheinlich auch drei Stampfer.
Ob jetzt alle 60 Grad oder alle 45 Grad ein Zapfen zum Eingriff kommt,
es werden sich immer zwei Hebungen überlappen. Eine Ausnahme könnte
das vierte Rad sein. Hier wurden sog. Hebe-Latten dazwischengeschaltet,
die evtl. sogar als eine Art Feder wirken und den Impuls verlängern
könnten. Die Impulse der Stampfer mussten wohl verstärkt werden
um die schwächeren Impulse dazwischen auszugleichen.
Die folgende Tabelle zeigt eine Aufstellung der vier Räder
mit Drehzahl, Taktzeit (von einer Stampferhebung zur nächsten) und die
von mir geschätzten Stampfer-Fallzeiten und Fallhöhen:
Bessler entwickelte zielstrebig nach den Anforderungen seiner Zeit:
Die ersten Räder waren kleiner und hatten eine hohe Drehzahl.
Heute wäre das gut, aber damals konnte es keiner so recht gebrauchen,
z.B. als Bratenwender oder zum Hochziehen von Waren.
Besslers Entwicklungsziele waren also: Die Räder sollten
langsamer werden, mehr Kraft entwickeln, Wasserspiele betreiben können
und bidirektional werden. All diese Ziele hat er in kürzester Zeit
verwirklichen können.
Einfach genial.
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