|
Im letzten Bild in den Maschinentractaten MT138 gibt Bessler sicher noch einige
wichtige Hinweise zu einzelnen Funktionsprinzipien. Ich habe mal das Teilbild C
herausgenommen in dem er ein Kinderspielzeug darstellt. Man hält je einen
Hebel in einer Hand und mit leichten Verschiebe-Bewegungen erreicht man, dass
einmal die eine Figur mit dem Hammer auf den Anboss schlägt und dann wieder
die andere. Sofort kommt einem da Besslers Vers in den Sinn:
„... der Amboss krieget viele Stöß”.
|
Zu MT138 schreibt Bessler:
„Kinderspiele in welchen doch auch was besonderes steckt,
wer sie auf andere Weise zu applicieren weiß”.
Anders applicieren heißt erst Mal die lineare Bewegung in eine kreisförmige
Bewegung zu transformieren. In meinen Augen gibt es dabei insbesondere zwei
Extreme. Einmal ist der Drehpunkt der Hebel aussen am Radumfang und beim zweiten
ist der Drehpunkt auf einem inneren Kreis.
Beim linken Bild hängen die Hebel auf der rechten (=schweren) Seite und
legen sich durch die Fliehkraft an den Umfang an. Hier gibt es eigentlich keinen
Amboss. Bei der rechten Ausführung stehen die Hebel und fallen auf jeweils
einen kleinen Amboss. Ich bin mir sicher, dass Bessler dieses System in den
beiden kleinen Rädern verwendet hat.
In beiden Fällen sieht man den Vers umgesetzt:
„ ... Der sind nun immer zwey und zwey”.
Im Folgenden will ich darstellen wie die äusseren
„Flug-”Gewichte wahrscheinlich befestigt waren und sich bewegt haben.
Da der Motus sechs Segmente hat, müssen auch sechs Gewichte (oder eine
Vielzahl davon) die äussere Struktur bilden. Nur so können die
Energieimpulse vom äusseren zum inneren System richtig ausgetauscht
werden.
Zu sehen sind die Gewichtsanordnungen der zwei Ebenen, die natürlich um
60 Grad zueinander versetzt sind. Das kleine rote Rad ist dabei ortsfest,
es befindet sich an der Stellage, die das Rad trägt. Die türkisen
Hebel im Zentrum bilden die Nocken, die von dem roten Rädchen bewegt werden
und über ein Hebelwerk und Seile (blau) das obere Gewicht rausdrehen um
die Unwucht zu erzeugen.
Hilft auch hier die Gewichtskraft des Rades
(Schwerkraft) mit die Nocken zu drücken?
Bedenkt man die Taktik Besslers, wichtige Hinweise gespiegelt oder auf den
Kopf gestellt darzustellen, dann dürfte auch MT30 interessant sein.
|
Wie wir auf den Stichen der großen Räder sehen gibt es ausser
der Radscheibe zwei wichtige Komponenten, die Achse zum Aufwickeln des Seils
um die Hebewirkung zu demonstrieren und das Stampfwerk.
Beim kleinen Rad wird ebenfalls berichtet, dass es Gewichte hochziehen
konnte, also hatte es wohl auch diese dickere Achse. Das Stampfwerk wird beim
großen Rad kaum beachtet obwohl es sehr wichtig war. Deshalb kann
man davon ausgehen, dass ein kleines Rädchen am Gestell des kleinen
Rades nicht überliefernswert war. Es war aber wohl da um wichtige
Vorgänge (ausschwenken der Gewichte) zur richtigen Zeit und mit der
notwendigen Kraft zu bewerkstelligen.
Hier sollte auch MT69 nicht unerwähnt bleiben, das auch eine
interessante Anordnung in der Achse zeigt. Immerhin schreibt Bessler auf Seite
30 in seiner Poëtischen Apologie in Bezug auf die Welle:
„Sondern/ sie hat vielmehr viel Fächer/
Ja durch und durch verschiedne Löcher.”
.. wobei Bessler nicht streng unterscheidet zwischen Achse und Welle.
|
Wenn wir jetzt die beiden Ebenen übereinanderlegen, dann sieht es
schon ganz gut aus. Jetzt müssen nur noch je zwei gegenüberliegende
Gewichte verbunden werden. Das kann per Querstrebe erfolgen wie weiter oben
gezeichnet oder auch über „kunst=verführte
Drätter”
wie Bessler schreibt.
Dieses Verlagern der Gewichte kostet Kraft und wird auch von je einem der
Pendel des inneren Systems unterstützt.
Dieses Bild zeigt natürlich nur das Prinzip. Die genaue konstruktive
Auflösung erfolgt Schritt für Schritt am Prototypen und ergibt
schließlich auch das Hebelwerk zum „Nachladen” der
Pendel.
|
|
Ich war mal wieder am optimieren am äusseren System des kleinen Rads auf Papier, als
ich zur Abwechslung ins Bessler-Forum schaute. Dort hat Mr. Fletcher herausgearbeitet,
dass MT35 seiner Meinung nach aus den versteckten Hinweisen in den
Maschinentractaten als wichtiges Bild hervorgeht, siehe
hier im Bessler-Forum.
MT35 war mir noch nie so recht aufgefallen, aber jetzt sah ich es, das wars, genau.
Man muss natürlich wissen, dass Bessler keine Konstruktionszeichnungen machte,
sondern vereinfachte, spiegelte - wenn es wichtig war - und hier anscheinend etwas
oben plazierte, das eigentlich unten sein muss. Kurz und gut, wenn ich all diese
Transformationen auf meine Optimierung anwende, komme ich ganz gut auf MT35.
|
|
Da ist doch nicht mal eine Ähnlichkeit wird so mancher sagen. Ich wills
Punkt für Punkt erklären. Bessler hat hier einen geschlossenen Kasten
gezeichnet in dem das Rad läuft. Er wollte wohl zeigen, dass es zwei
Räder gibt, die ortsfest sind und bei laufendem Rad immer wieder mal
Hebel betätigen - genau wie schon oben beschrieben, ein Rädchen
an der Stellage. Der Kasten kann also weg, es reicht eine Stellage.
So wie Bessler die Räder eingreifen lässt, so kanns nicht gehen.
Das weiß auch Bessler, er will uns ja keine Bauanleitung geben, sondern
nur einen verschlüsselten Hinweis. Und real sind die Räder auch nicht
oben, sondern unten, das warum wird noch aufgezeigt.
Was direkt übereinstimmt ist das Hebelwerk, das das Gewicht anhebt.
Wenn ein Rad den Hebel drückt, zieht sich eine Schnur von der Rolle und
dreht das Gewicht hoch. Über eine weitere Schnur wird das Gegengewicht
zur Mitte (=zur Welle hin) gezogen. Hätte Bessler die Ansicht wie im
Algodoo-Bild daneben gezeichnet, dann wäre alles klar gewesen. Das aber
wollte Bessler gar nicht.
Warum ist MT35 jetzt aber wohl so gedacht wie von mir gezeichnet?
Damit die Impulse richtig weitergegeben werden und auch die Schwerkraft
geeignet wirken kann. Rechts werden die Gewichte rausgedreht und fallen
auf den Amboss, geben also den Impuls richtig ans Rad weiter. Im Original
würden sie an die Wand schlagen, ohne Effekt. Rechts fährt das Rädchen
auf die Nocke (schiefe ortsfeste Bahn) und wird kurzzeitig zum virtuellen
Drehpunkt des ganzen Rades. Der Drehpunkt des Rades ist also kurz ausser
der Mitte und das Rad ist rechts viel schwerer als links. Damit wird die
Schwerkraft zur Drehung ausgenutzt. Dieser Effekt hebt die Bremsung des Rads
durch die Arbeit an der Nocke zum Teil auf. (Um keine Verwirrung aufkommen
zu lassen: anders als oben ist hier nicht ein Rädchen an der Stellage,
sondern die Nocke, die schiefe Bahn. Das ist besser für den virtuellen
Drehpunkt).
Nicht dargestellt ist im rechten Bild die Schnur zum unteren Gewicht. Diese
sollte von der Länge her so bemessen sein, dass sie das Gewicht erst
zieht, wenn das obere Gewicht schon den halben Weg hinter sich hat. Dann
kommt die Energie fürs untere nämlich nicht von der Trägheit
des Rads, sondern aus der Fliehkraft des oberen Gewichts und dieses
schlägt auch nicht so massiv auf, dass es zurückspringt.
Damit man sich den Ablauf etwas besser vorstellen kann habe ich noch eine
kleine
Animation MT35.gif
gemacht.
nächste Seite