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  © 2018 by Alois Zimmermann                                                   | Kontakt | Impressum | Updates | Ausblick |   

Das kleine Rad

Teilbild MT138 Im letzten Bild in den Maschinentractaten MT138 gibt Bessler sicher noch einige wichtige Hinweise zu einzelnen Funktionsprinzipien. Ich habe mal das Teilbild C herausgenommen in dem er ein Kinderspielzeug darstellt. Man hält je einen Hebel in einer Hand und mit leichten Verschiebe-Bewegungen erreicht man, dass einmal die eine Figur mit dem Hammer auf den Anboss schlägt und dann wieder die andere. Sofort kommt einem da Besslers Vers in den Sinn:

„... der Amboss krieget viele Stöß”.

Zu MT138 schreibt Bessler:

„Kinderspiele in welchen doch auch was besonderes steckt,
wer sie auf andere Weise zu applicieren weiß”.


Anders applicieren heißt erst Mal die lineare Bewegung in eine kreisförmige Bewegung zu transformieren. In meinen Augen gibt es dabei insbesondere zwei Extreme. Einmal ist der Drehpunkt der Hebel aussen am Radumfang und beim zweiten ist der Drehpunkt auf einem inneren Kreis.

Bild mit Hebeln Bild mit Hebeln

Beim linken Bild hängen die Hebel auf der rechten (=schweren) Seite und legen sich durch die Fliehkraft an den Umfang an. Hier gibt es eigentlich keinen Amboss. Bei der rechten Ausführung stehen die Hebel und fallen auf jeweils einen kleinen Amboss. Ich bin mir sicher, dass Bessler dieses System in den beiden kleinen Rädern verwendet hat. In beiden Fällen sieht man den Vers umgesetzt: „ ... Der sind nun immer zwey und zwey”.

Im Folgenden will ich darstellen wie die äusseren „Flug-”Gewichte wahrscheinlich befestigt waren und sich bewegt haben. Da der Motus sechs Segmente hat, müssen auch sechs Gewichte (oder eine Vielzahl davon) die äussere Struktur bilden. Nur so können die Energieimpulse vom äusseren zum inneren System richtig ausgetauscht werden.

Struktur mit 3 Gewichten Struktur mit 3 Gewichten

Zu sehen sind die Gewichtsanordnungen der zwei Ebenen, die natürlich um 60 Grad zueinander versetzt sind. Das kleine rote Rad ist dabei ortsfest, es befindet sich an der Stellage, die das Rad trägt. Die türkisen Hebel im Zentrum bilden die Nocken, die von dem roten Rädchen bewegt werden und über ein Hebelwerk und Seile (blau) das obere Gewicht rausdrehen um die Unwucht zu erzeugen.
Hilft auch hier die Gewichtskraft des Rades (Schwerkraft) mit die Nocken zu drücken?

Bedenkt man die Taktik Besslers, wichtige Hinweise gespiegelt oder auf den Kopf gestellt darzustellen, dann dürfte auch MT30 interessant sein.

Seitenansicht Wie wir auf den Stichen der großen Räder sehen gibt es ausser der Radscheibe zwei wichtige Komponenten, die Achse zum Aufwickeln des Seils um die Hebewirkung zu demonstrieren und das Stampfwerk. Beim kleinen Rad wird ebenfalls berichtet, dass es Gewichte hochziehen konnte, also hatte es wohl auch diese dickere Achse. Das Stampfwerk wird beim großen Rad kaum beachtet obwohl es sehr wichtig war. Deshalb kann man davon ausgehen, dass ein kleines Rädchen am Gestell des kleinen Rades nicht überliefernswert war. Es war aber wohl da um wichtige Vorgänge (ausschwenken der Gewichte) zur richtigen Zeit und mit der notwendigen Kraft zu bewerkstelligen.
Hier sollte auch MT69 nicht unerwähnt bleiben, das auch eine interessante Anordnung in der Achse zeigt. Immerhin schreibt Bessler auf Seite 30 in seiner Poëtischen Apologie in Bezug auf die Welle:

           „Sondern/ sie hat vielmehr viel Fächer/
            Ja durch und durch verschiedne Löcher.”

.. wobei Bessler nicht streng unterscheidet zwischen Achse und Welle.
Wenn wir jetzt die beiden Ebenen übereinanderlegen, dann sieht es schon ganz gut aus. Jetzt müssen nur noch je zwei gegenüberliegende Gewichte verbunden werden. Das kann per Querstrebe erfolgen wie weiter oben gezeichnet oder auch über „kunst=verführte Drätter” wie Bessler schreibt.
Dieses Verlagern der Gewichte kostet Kraft und wird auch von je einem der Pendel des inneren Systems unterstützt.
Dieses Bild zeigt natürlich nur das Prinzip. Die genaue konstruktive Auflösung erfolgt Schritt für Schritt am Prototypen und ergibt schließlich auch das Hebelwerk zum „Nachladen” der Pendel.
&uum;bereinander

Ich war mal wieder am optimieren am äusseren System des kleinen Rads auf Papier, als ich zur Abwechslung ins Bessler-Forum schaute. Dort hat Mr. Fletcher herausgearbeitet, dass MT35 seiner Meinung nach aus den versteckten Hinweisen in den Maschinentractaten als wichtiges Bild hervorgeht, siehe hier im Bessler-Forum. MT35 war mir noch nie so recht aufgefallen, aber jetzt sah ich es, das wars, genau. Man muss natürlich wissen, dass Bessler keine Konstruktionszeichnungen machte, sondern vereinfachte, spiegelte - wenn es wichtig war - und hier anscheinend etwas oben plazierte, das eigentlich unten sein muss. Kurz und gut, wenn ich all diese Transformationen auf meine Optimierung anwende, komme ich ganz gut auf MT35.

Original MT35 Algodoo zu MT35

Da ist doch nicht mal eine Ähnlichkeit wird so mancher sagen. Ich wills Punkt für Punkt erklären. Bessler hat hier einen geschlossenen Kasten gezeichnet in dem das Rad läuft. Er wollte wohl zeigen, dass es zwei Räder gibt, die ortsfest sind und bei laufendem Rad immer wieder mal Hebel betätigen - genau wie schon oben beschrieben, ein Rädchen an der Stellage. Der Kasten kann also weg, es reicht eine Stellage. So wie Bessler die Räder eingreifen lässt, so kanns nicht gehen. Das weiß auch Bessler, er will uns ja keine Bauanleitung geben, sondern nur einen verschlüsselten Hinweis. Und real sind die Räder auch nicht oben, sondern unten, das warum wird noch aufgezeigt.
Was direkt übereinstimmt ist das Hebelwerk, das das Gewicht anhebt. Wenn ein Rad den Hebel drückt, zieht sich eine Schnur von der Rolle und dreht das Gewicht hoch. Über eine weitere Schnur wird das Gegengewicht zur Mitte (=zur Welle hin) gezogen. Hätte Bessler die Ansicht wie im Algodoo-Bild daneben gezeichnet, dann wäre alles klar gewesen. Das aber wollte Bessler gar nicht.
Warum ist MT35 jetzt aber wohl so gedacht wie von mir gezeichnet?
Damit die Impulse richtig weitergegeben werden und auch die Schwerkraft geeignet wirken kann. Rechts werden die Gewichte rausgedreht und fallen auf den Amboss, geben also den Impuls richtig ans Rad weiter. Im Original würden sie an die Wand schlagen, ohne Effekt. Rechts fährt das Rädchen auf die Nocke (schiefe ortsfeste Bahn) und wird kurzzeitig zum virtuellen Drehpunkt des ganzen Rades. Der Drehpunkt des Rades ist also kurz ausser der Mitte und das Rad ist rechts viel schwerer als links. Damit wird die Schwerkraft zur Drehung ausgenutzt. Dieser Effekt hebt die Bremsung des Rads durch die Arbeit an der Nocke zum Teil auf. (Um keine Verwirrung aufkommen zu lassen: anders als oben ist hier nicht ein Rädchen an der Stellage, sondern die Nocke, die schiefe Bahn. Das ist besser für den virtuellen Drehpunkt).
Nicht dargestellt ist im rechten Bild die Schnur zum unteren Gewicht. Diese sollte von der Länge her so bemessen sein, dass sie das Gewicht erst zieht, wenn das obere Gewicht schon den halben Weg hinter sich hat. Dann kommt die Energie fürs untere nämlich nicht von der Trägheit des Rads, sondern aus der Fliehkraft des oberen Gewichts und dieses schlägt auch nicht so massiv auf, dass es zurückspringt.
Damit man sich den Ablauf etwas besser vorstellen kann habe ich noch eine kleine Animation MT35.gif gemacht.

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